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National Bird

“National Bird” – Dokumentarfilm über die Auswirkungen des Drohnenkrieges

8. Dezember 2016

“National Bird” – Ein neuer Dokumentarfilm berichtet über die verheerenden Auswirkungen des Drohnenkrieges auf Opfer und Whistleblower


(Dieser Artikel wurde von Murtaza Hussain geschrieben und ist ursprünglich auf “The Intercept” erschienen. acTVism Munich hat diesen Artikel ins Deutsche übertragen.)


In der Nacht vom 21. Februar 2010 gelangte eine Gruppe von Familien, die in einem Konvoi von Fahrzeugen durch die Täler der Uruzgan-Provinz in Afghanistan fuhr, ins Visier eines Predator Drohnenkommandos, das von der Creech Air Force Base in Nevada aus operierte.

„Dieser Lastwagen wäre ein schönes Ziel“, sagte einer der Soldaten. Die Einheit analysiert den Konvoi, diskutiert ob Kinder anwesend sind. „Ich zweifle diesen Hinweis auf Kinder echt an, Mann. Ich hasse diesen Scheiß.“

Unter dem wachsamen Blick des Kommandos verlassen die Familien den Konvoi und halten am Straßenrand an, um zu beten. Nach einer kurzen Pause kehren sie in ihre Autos zurück und setzen ihre Reise fort, noch immer unwissend, dass sie von oben belauert werden.

Mitglieder des Drohnenkommandos, zufrieden darüber, dass sie ein legitimes Ziel in Sicht haben, treffen die nötigen Vorbereitungen für ihren Waffeneinsatz.

Als die Autos die Straße hinunterziehen, eröffnen sie das Feuer.

Und… oh… los geht es!“ ruft einer der Piloten. Von einer Rakete getroffen, verschwindet das erste Auto des Konvois in einer riesigen Staubwolke. Kurz darauf explodiert ein zweites Auto. Die Leute fliehen aus dem verbleibenden Fahrzeug und winken in Richtung des Flugobjekts, damit es das Feuer einstellt. Sie wehen mit Stoffstücken gen Himmel, um damit zu signalisieren, dass sie keine Kämpfer sind. Man kann eine Frau sehen, die ein Kind hält.

„Ich weiß nicht“, sagt einer der Drohnenbediener. „Das ist seltsam.“

Insgesamt 23 Menschen wurden im Anschlag auf den Konvoi getötet, alles Zivilisten. Eine Untersuchung des Militärs zeigte später, dass die Drohnenführer die Beweise, dass es sich um einen zivilen Konvoi handelte, „ignorierten oder herunterspielten“. Eine Abschrift des Gesprächs zwischen den Drohnenbedienern wurde später durch einen Freedom of Information Act-Antrag durch die ACLU veröffentlicht.

Der Uruzgan-Drohnenanschlag und die Ereignisse, die ihn begleiten, bilden den Kern von National Bird, einem außergewöhnlichen neuen Dokumentarfilm über das U.S.-Drohnenprogramm. Der Film, der Ende November in Los Angeles anlief, porträtiert das Leben ehemaliger Drohnenbediener, sowie der Opfer des Programms, einschließlich der Überlebenden des Uruzgan-Angriffs. Auf diese Weise bietet er einen seltenen Einblick in das Leben der Menschen, die von dem verdeckten globalen Ermordungsprogramm des U.S.-Militärs betroffen sind, sowie in die Konsequenzen, die denjenigen drohen, die öffentlich darüber sprechen.

„Ich wollte einen Film über den Drohnenkrieg und die dadurch unmittelbar betroffenen Menschen machen: Diejenigen, die das Programm durchführen, und diejenigen, die in Ländern betroffen sind, in denen Drohnenangriffe durchgeführt werden“, sagt Sonia Kennebeck, die Produzentin und Regisseurin von National Bird. „Wir haben viel riskiert, um diesen Film zu machen, denn wir glauben, dass bei diesen Programmen dringende Notwendigkeit für Transparenz besteht.“

Der Film porträtiert drei Amerikaner, die am Drohnenprogramm teilnahmen, aber später eine Gewissenskrise durchlebten.

„Es geht nicht nur darum, dass da jemand an einem Joystick sitzt und Flugzeuge um die Erde steuert; es ist, als ob Grenzen keine Rolle mehr spielen. Es gibt ein riesiges weltweites System, das endlose Datenmengen aufsaugen kann“, sagt Lisa, ehemals technische Offizierin für Drohnenüberwachungssysteme, die wie alle Darsteller in National Bird nur mit ihrem Vornamen genannt wird.

Im Film zeigt Lisa ihr Belobigungsschreiben, das sie im Rahmen von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan für die Identifikation von über 121.000 sogenannten „rebellischen Zielen“ über einen Zeitraum von zwei Jahren erhielt. „Das sind 121.000 Menschen, deren Leben von unserer Technologie betroffen sind. Wie lange sind wir jetzt schon im Krieg?“

Der sehr schön konstruierte Film verflechtet Szenen über Drohnenpiloten, die in kleinen amerikanischen Städten leben, mit Szenen aus Afghanistan, wo Menschen gezeigt werden, die angegriffen worden sind.

Die Darsteller beschreiben ihre Aktivitäten im Film mit bedachten Worten, so allgegenwärtig ist die Angst, dass sie aufgrund des Espionage Act wegen Whistleblowings angeklagt werden können. Während des Drehs ist der Drohnenpilot Daniel, ein früherer NSA-Mitarbeiter in Fort Meade, von einer Hausdurchsuchung durch das FBI betroffen und wird darüber in Kenntnis gesetzt, dass er aufgrund seiner öffentlichen Stellungnahmen zum Programm unter Beobachtung stehe.

Die Obama-Administration ist berüchtigt dafür, dass sie das Gesetz einsetzt, um Personen zu verfolgen, die öffentlich über die geheimen Kriegsprogramme sprechen. Tatsächlich sind unter Obamas Espionage Act mehr Menschen verfolgt worden als unter allen Vorgängerregierungen zusammen. Vor dem Hintergrund dieses Durchgreifens erscheinen die Aussagen über die Programme in National Bird noch mutiger.

„Ich sage, dass das Drohnenprogramm falsch ist, weil ich nicht weiß, wie viele Menschen ich getötet habe“, erzählt Drohnenpilotin Heather, die heute unter PTBS leidet, im Film. Nachdem mehrere ihrer Freunde infolge des Programms Selbstmord begingen, verfolgt sie die Vorstellung, dass durch ihre Drohnenangriffe Menschen getötet und verstümmelt worden sind. Sie befürchtet auch, dass sie aufgrund ihrer Aussagen ins Fadenkreuz von Ermittlern geraten wird. „Wenn eines Tages jemand vorbei kommt, mir einen Sack über den Kopf stülpt und mich davon zerrt – was hat dann irgendetwas von dem genützt, das ich getan habe?“

Einige der bewegendsten Szenen im Film wurden in Afghanistan aufgenommen, wo die Filmemacher Opfer des Programms antrafen. „So lange dein Körper ganz bleibt, denkst du anders. Du bist froh“, sagt ein Mann, der beim Angriff auf Uruzgan verwundet worden ist. „Aber sobald du verwundet wurdest, nimmt auch deine Seele Schaden. Wenn du dein Bein verlierst und dich dann schlechter bewegen kannst, wirkt sich das auch auf deinen Geist aus.“

„Manchmal bin ich so traurig, dass mein Herz zerreißen will“, sagt der Mann, bevor er still unter Tränen zusammenbricht.


“National Bird” Trailer (2016) – Dokumentarfilm über Drohnenkrieg


Während die Obama-Administration die Übergabe ihrer gewaltigen, undurchsichtigen Einrichtungen, die der Überwachung und verdeckten Kriegsführung dienen, an Donald Trump vorbereitet, machen diese verborgenen Mächte immer mehr Menschen Sorgen. Der designierte Präsident und sein Kabinett werden beispiellose Möglichkeiten haben, rund um den Globus geheime Kriege und Ermordungen durchzuführen, was sie zum Teil den hinterlassenen Programmen ihres liberalen Vorgängers verdanken. Obamas aggressive Haltung gegenüber Whistleblowern wird es Trump zudem erleichtern, gegen Regierungsbeamte vorzugehen, die solche Programme ans Licht bringen wollen.

„Ich habe diesen Film auch gemacht, um auf die Möglichkeiten künftiger Regierungen hinzuweisen, die über solche Einrichtungen verfügen, aber ich glaube nicht, dass vielen Menschen klar ist, wie schlimm es bereits unter Obama gewesen ist“, sagt Kennebeck. „Die Whistleblower sind für den Film beträchtliche Risiken eingegangen, weil es ihnen wichtig ist, dass Menschen davon erfahren, was unter dem Drohnenprogramm abläuft.“

„Im Verlauf des Drehs hat sich ergeben, dass sich der Film nicht nur um das Drohnenprogramm im Speziellen dreht, sondern auch um die Folgen von Whistleblowing allgemein.“


Klicken Sie hier, um unsere Reportage über die “Stopp Ramstein – Kein Drohnenkrieg!” Demonstration am 11. Juni 2016 zu sehen.


Um weitere Beiträge zu Drohnen zu sehen, klicken Sie hier.


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Beitragsbild: MQ-9 Reaper taxis down an Afghan runway – Staff Sgt. Brian Ferguson

Description
English: MQ-9 Reaper taxis down an Afghan runway
Reaper drops first precision-guided bomb, protects ground forcesA fully armed MQ-9 Reaper taxis down an Afghanistan runway Nov. 4. The Reaper has flown 49 combat sorties since it first began operating in Afghanistan Sept. 25. It completed its first combat strike Oct. 27, when it fired a Hellfire missile over Deh Rawod, Afghanistan. (U.S. Air Force photo/Staff Sgt. Brian Ferguson)
Date
Source https://www.af.mil/shared/media/photodb/photos/071104-F-2185F-131.JPG
Author U.S. Air Force photo/Staff Sgt. Brian Ferguson


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