Die Freiheit statt Angst Demo (FST) hat am 10.10.15 in München stattgefunden. Wir haben einen FST Demonstranten interviewt um zu eine Erfahrung und Meinung ins Licht zu bringen. Fanz Haslbeck, 49, aus München, Aktivist, in Sachen Frieden (
Occupeace München), Nachhaltigkeit/Umwelt (Attac Deutschland), Datenschutz/Freiheits-/Grundrechte ( StopWatching.Us) und Demokratie (EDJ).
Interview mit Franz Haslbeck:
acTVism: Danke, dass du uns für einige Fragen zur Verfügung stehst, Franz. Was hat dich persönlich motiviert, an dieser Demonstration teilzunehmen?
Franz Haslbeck: Das Thema, seine Bedeutung und Dringlichkeit. Außerdem kenne ich viele der Organisatoren und Redner und möchte sie in der Sache nach Kräften unterstützen.
acTVism: Wie würdest du deine Eindrücke von der Demo zusammenfassen?
Franz Haslbeck: Zuerst einmal war ich ausgesprochen erfreut über die breite Unterstützung durch Parteien und Organisationen über das gesamte politische Spektrum hinweg, was sich auch eindrucksvoll und bunt in den Teilnehmern vor Ort widergespiegelt hat. Und … beeindruckt von der hochkarätig besetzten Riege der Redner.
Was mich tatsächlich sehr gestört und geradezu verstört hat, war dass nahezu alle Redner, sicher angesichts der bevorstehenden 2. Auflage der Vorratsdatenspeicherung, immer noch von “Wehret den Anfängen” und „Eintritt“ in den Überwachungsstaat sprachen. Dabei sind wir mittendrin! Und auch nicht erst seit Snowden, sondern seit Jahrzehnten, in den letzten Jahren massiv intensiviert in Breite und Tiefe des Überwachungsnetzes, der eingesetzten Technologien und Infrastruktur, flächendeckend und rund um die Uhr angewandt auf
– Kommunikation und Datenverkehr,
– den Personenverkehr in der Luft, auf der Schiene und der Strasse (z.B. mit Maut, E-Call)
– und auch unseren Zahlungsverkehr, der in dem bereits diskutierten Bargeldverbot zur lückenlosen Überwachung führt.
Es geht also längst nicht nur um das Internet, auch nicht nur um Überwachung allein, sondern konkret um Einschränkung und Entzug von Grundrechten bis zur unmittelbaren Ermöglichung konkreter Zwangsmassnahmen. Das ist bereits meilenweit entfernt von der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, wie sie unser Grundgesetz garantiert.
Slideshow Galerie: Freiheit statt Angst Demo
acTVism: Oft fokussieren Demonstrationen nicht auf konkrete Lösungen, die die Gesellschaft oder der Einzelne anwenden könnten, um eine wirkungsvolle Änderung zu erzielen. Denkst du, diese Demo war lösungsorientiert? Oder falls nicht, welche Lösungsansätze gegen die Massenüberwachung siehst du?
Franz Haslbeck: Lösungsorientiert? Leider … gerade … NEIN. Das ist, was mich eigentlich sogar richtig verärgert hat: der Mangel an konstruktiven, effektiven Vorschlägen zur Überwindung des Unrechtszustands.
Protest ist gut und richtig und wichtig, aber gerade von den Rednern, die allesamt Profis in der Sache und auf dem politischen Parkett sind, hätte ich unbedingt auch Handfestes erwartet. Ich würde nicht so weit gehen, von “Sonntagsreden” zu sprechen, aber es hat leider weitgehend an Substanz gefehlt. Fangen wir mit unseren “falschen Freunden” an: die totale Überwachung durch die Five Eyes, insbesondere die US-amerikanische NSA und britische GCHQ, letztere welche unseren BND instruiert hat wie er deutsches Recht umgehen und brechen kann und soll.Man sollte seit Jahren die einschlägige Expertise des Freiburger Historikers und Universitätsprofessors Dr. Josef Foschepoth kennen.
Er hat dafür einen Aktionsplan, eine Liste von Punkten veröffentlicht (*1), die es abzuarbeiten gilt, wenn dereinst eine Bundesregierung endlich den politischen Willen aufbringt, unserem höchsten Recht Geltung zu verschaffen. Foschepoth erklärt genau wie, direkt an die Adresse der Bundesregierung bzw. der Politik. Dass unsere derzeitige Bundesregierung dafür die absolute Fehlbesetzung und ein Totalausfall, eine Schande für unser Land ist, wundert leider nur mehr die Naivsten.
Aber von den Rednern, die ja konkret dagegen protestieren, hätte ich dazu zwingend etwas erwartet. Weil wir aber gerade bei den nationalen Defiziten sind: von den Notstandsgesetzen ’68 bis zum aktuellen IT-Sicherheitsgesetze führt eine Blutspur zulasten unserer Freiheits- und Grundrechte, die einen totalen Polizei- und Überwachungsstaat aufbaut, wie er in Dichte und Qualität auf deutschem Boden noch nie existiert hat, nicht nur durch NSA und über 200 offiziell durch die Bundesregierung geduldete privatwirtschaftliche US-amerikanische Spionagefirmen im Inland, sondern auch durch eine lange Serie eigener deutscher Gesetze (*2), unsere Dienste, deren Infrastruktur. Weder Gestapo noch Stasi waren derart ausgestattet, sie hätten damit noch wesentlich mehr Unheil angerichtet.
Ein simpler Verweis auf zum Beispiel Nutzung von Verschlüsselungstechnologien oder besser der Rat zur Teilnahme an einer sogenannten Cryptoparty (*3) wären sinnvoll und hilfreich gewesen, jedenfalls für Teilnehmer, denen ein entsprechender technischer Hintergrund bisher fehlt. Man sollte nicht davon ausgehen, dass jeder das sowieso weiss. Im Gegenteil: Wir wissen, dass es in der Praxis erhebliche Defizite, aber gute Möglichkeiten gibt. Mit der Verbreitung wächst die Praxistauglichkeit der Verschlüsselung. Da gäbe es noch viel zu missionieren.
acTVism: Wo führt all das hin? In welche Zukunft?
Franz Haslbeck: Die historische Erfahrung zeigt leider, dass jedes von Menschen geschaffene Werkzeug nicht nur genutzt sondern immer auch missbraucht wurde. Was unsere Verantwortlichen geschaffen haben, ist vollkommen verantwortungslos. Das Bild aus Goethes Zauberlehrling reicht hier längst nicht mehr, es wäre verharmlosend und verniedlichend. Und es war und ist von Anfang an in höchsten Maße illegal, verfassungsfeindlich, wider die Grund- und Menschenrechte, das Werk von Verfassungsfeinden und Staatsterroristen, nicht nur durch Duldung, sondern durch eigenes aktives Handeln.
Zu dieser Frage – waren die Inhalte der Redner lösungsorientiert? – gehört aber auch, dass nicht wirklich auf die Möglichkeiten des normalen Nutzers zur eigenen Digitalen Selbstverteidigung hingewiesen wurde. Ein simpler Verweis auf zum Beispiel Nutzung von Verschlüsselungstechnologien oder besser der Rat zur Teilnahme an einer sogenannten Cryptoparty (*3) wären sinnvoll und hilfreich gewesen, jedenfalls für Teilnehmer, denen ein entsprechender technischer Hintergrund bisher fehlt. Man sollte nicht davon ausgehen, dass jeder das sowieso weiss. Im Gegenteil: Wir wissen, dass es in der Praxis erhebliche Defizite, aber gute Möglichkeiten gibt. Mit der Verbreitung wächst die Praxistauglichkeit der Verschlüsselung. Da gäbe es noch viel zu missionieren.
acTVism: Danke für deine Zeit Franz!
Franz Haslbeck: Sehr Gerne!
(*1) https://www.hintergrund.de/201310252869/politik/inland/die-alliierten-interessen-sind-laengst-in-deutschem-recht-verankert.html
(*2) https://www.daten-speicherung.de/index.php/ueberwachungsgesetze/
(*3) https://www.cryptoparty.in/muenchen
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